Investieren und nachhaltiger werden ist das Gebot der Stunde
Nachhaltiges Handeln wird derzeit vieldiskutiert und gilt als Schlüssel, um den Folgen des Klimawandels effektiv zu begegnen. Die Herausforderungen für die Hotellerie und die Chancen, darauf zukunftsorientiert zu reagieren, thematisiert der ankannte Wissenschaftler Prof. Dr. Harald Zeiss im Gespräch mit Moderator Christian Badenhop in der neuen Folge der Podcast-Reihe „Certified Spotlight“.
„Das Thema Nachhaltigkeit hat deutlich an Fahrt aufgenommen. Als ich 2010 im Umweltmanagement startete, habe ich diese Themen in den Medien gesucht und nur selten gefunden“, betont Prof. Dr. Zeiss, der an der Hochschule Harz in Wernigerode lehrt und sich mit den Forschungsschwerpunkten Nachhaltigkeit und Internationaler Tourismus auseinandersetzt. In seinen Augen hat sich die mediale und gesellschaftliche Wahrnehmung in Bezug auf den Klimawandel, die damit zusammenhängende Krise und ihren Auswirkungen massiv geändert. „Jetzt rücken auch weitere Aspekte wie Biodiversität und Artenschutz in den Vordergrund“, weiß der Wissenschaftler, der bereits im Jahr 2011 das Institut für Nachhaltigen Tourismus GmbH (Inatour) gründet hat. „Das ist auch wichtig, denn wir haben nicht mehr viel Zeit.“ Doch was sind die weiteren Themen rund um Nachhaltigkeit, die von der Hotellerie künftig berücksichtigt werden müssen? Dazu fallen Prof. Dr. Zeiss mannigfaltige Bereiche ein, die von der Energie, ihrer Gewinnung und dem Verbrauch, bis hin zur Wasseraufbereitung und Wiederverwendung oder dem nachhaltigen Einsatz von Lebensmitteln reichen.
Mit der Umsetzung des European Green Deal, der in naher Zukunft auch auf die Hotellerie Auswirkungen haben wird, wollen die 27 EU-Mitgliedstaaten bis 2050 klimaneutral werden. Prof. Dr. Zeiss sieht die EU auch in anderen Themenfeldern als Leitinstanz an. „Wir sehen es beispielsweise beim Lieferkettensorgfaltspflichtgesetz, dass es sich die deutsche Regierung überlegt, ob sie das Vorhaben nicht so lange aussetzt, bis die EU ihre eigene Regulierung auf den Markt bringt“, sagt er. „Denn EU-Recht übertrifft nationales Recht. Daher halte ich es für zwingend gegeben, sich an den EU-Green Deal zu halten – besonders die größeren Ketten, die gegebenenfalls berichtspflichtig werden.“ Auf die Frage, ob sich die Hotellerie nach internationalen Standards ausrichtet, führt Prof. Dr. Zeiss aus, dass „die Top-Ketten in der Regel durchorganisiert sind und die gleichen Bestimmungen und Voraussetzungen für alle ihre Häuser haben – unabhängig davon, ob das Haus nun in Kapstadt, Singapore oder Frankfurt steht.“ Er sieht die Ketten-Hotellerie auch beim Thema Nachhaltigkeit auf einem guten Weg, denn für sie spielt die wirtschaftliche Komponente eine starke Rolle, wie beispielsweise die Minimierung der Energie- und Wasserkosten. Doch welche Wege sollte der deutsche Hotelier gehen? „Das kommt auf das Haus an. Im Einzelfall bestimmt dann das Gebäude, die Infrastruktur und auch der Gäste-Mix, was machbar ist“, erklärt der Wissenschaftler. „Dann zählen auch wieder regionale Aspekte. Der Klassiker wäre zum Beispiel das Bidet. In Deutschland ist es kein Feature, was man haben muss, in anderen Ländern könnte das ganz anders aussehen.“
Im Gespräch führt Prof. Dr. Zeiss dann aus, welchen Stellenwert für ihn als Reisenden unabhängige Zertifizierungen haben. „Ich nehme eher aus den Augenwinkeln die Siegel – wie von Certified – in einem Hotel wahr“, so der Tourismusexperte. „Aber ich denke dann, dass man sich hier Mühe gegeben hat, seine Prozesse zu standarisieren.“ Er glaubt, dass solche Prüfungen die Aufmerksamkeit für hotelinterne Abläufe und Verantwortlichkeiten erhöhen und schlussendlich die Qualität steigern. „Man kann es nur jedem Unternehmen empfehlen“, resümiert Prof. Dr. Zeiss. „Auch wenn es beim ersten Mal eine Menge Arbeit ist, so ist es doch ein Qualitätskriterium.“
Im Vergleich zu den Airlines, glaubt der Tourismus-Fachmann daran, dass die Hotellerie komplett nachhaltig werden kann. „Das kann mit den entsprechenden Investitionen jedes Hotel leisten“, schätzt Prof. Dr. Zeiss die derzeitig Lage ein. „Insofern würde ich fast weihnachtlich sagen: Fürchtet Euch nicht, sondern packt es an. Denn mal Hand aufs Herz: Jeder von uns würde doch besser in einem Zimmer schlafen, wenn dort Naturhölzer verbaut sind – alles ohne Chemie und Plastik.“ Mit Blick auf Corona und die in der Zeit gesammelten Erfahrungen mahnt der Wissenschaftler, die regionalen Lieferketten zu stärken, regionale Cluster zu bilden und sich gegenseitig zu helfen. „Dieses ‚act local, think global‘ ist gar nicht so weit hergeholt, das wird das Rezept der Zukunft sein“, glaubt Prof. Dr. Zeiss. Dazu hat er einen Trend hin zur Individualisierung ausgemacht, sodass die Hotels versuchen sollten, den Gästen ein wirklich authentisches lokales Erlebnis zu bieten. Insgesamt macht der Wissenschaftler den deutschen Hoteliers Mut für die Zukunft. „In den nächsten zehn Jahren werden zunehmend Gäste aus dem Mittelmeerraum zu uns kommen, davon bin ich überzeugt“, so der Dozent. „Insofern sage ich: Investieren und nachhaltiger werden ist das Gebot der Stunde.“
In dem Podcast-Format „Certified Spotlight“ diskutieren nicht nur Prüfer, Hoteldirektoren und Einkäufer über die Vor- und Nachteile von einheitlichen Zertifizierungen, sondern es werden auch neue Trends und Herausforderungen für die Branche mit ausgewiesenen Experten beleuchtet und eingeordnet.
Wer in die Welt der Hotellerie eintauchen, den regen Austausch zu den aktuellen Themen der Branche verfolgen und Interessantes rund um Zertifizierungen erfahren möchte, sollte die neue Podcast-Reihe „Certified Spotlight“ verfolgen auf Spotify, Apple Podcasts, Google Podcasts und auf der Website von Certified unter www.certified.de.